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( Feridun Zaimoglu)
Ein
soziologisches Phänomen, mit einem verkehrstechnischen Jargon zu erklären; aber
vor allem zu definieren, was das sein soll. In Deutschland, in einem Land, wo
die Geschichte der Soziologie weltweit
seinen Ursprung hat, mangelt es an Wörtern, Begriffen und sogar Metaphern, um
den Begriff „Integration“ zu beschreiben.
Google
zeigt ungefähr 55.000 Ergebnisse, wenn man
„Integration ist keine Einbahnstraße“ eingibt. Dank diesen klugen
Menschen, die gelegentlich diese Botschaft von sich geben, weiß man, was
Integration nicht ist. Eben, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Nach den
Google Recherchen kann man ebenso feststellen, dass diese Aussage keiner
homogenen Gruppe oder politischen Einstellung zugeschrieben werden kann. Bei
der Verwendung dieser Aussage herrscht ein großer Konsens in Deutschland, so
dass die Personen, die diese Aussage schon einmal benutzt haben, in unterschiedlichen politischen Parteien und
Weltansichten, von CDU, CSU aber auch
in der SPD und bei den Grünen zu finden sind. An dieser Stelle kann man diesen
Konsens als einen hegemonialen Konsens einstufen. Die geistlich
leidenschaftlichen Kosmopoliten und die „anderen“, die die Wörter z.B. Türken,
Romas, Ausländer, Toleranz, Nationalismus, „Schwarze“, „Zigeuner“ usw. nur in
einer Begleitung von einem „aber“ verwenden, sprechen dieselbe Sprache.
Zusammen bilden sie genau diese hegemoniale Kultur.
Sie
haben vielleicht nicht die gleiche Meinung und Wahrnehmung zum Thema „Integration“, aber erstaunlicherweise dieselbe
Rhetorik. Sie haben nämlich eine
hegemoniale Sprache zur Beschreibung eines Diskurses. An dieser Stelle ist es
angebracht eine über den Begriff Hegemonie was zu sagen. Gramsci beschreibt den
Hegemonie folgend:
„Hegemonie ist ein Zustand ´völliger sozialer
Autorität´, die ein bestimmtes Klassenbündnis in einer bestimmten Konstellation
durch eine Verbindung von „Zwang“ und „Zustimmung“ über die gesamte
Gesellschaftsformation und die beherrschten Klassen erringt: nicht nur im
materiellen, sondern auch im zivilen, geistigen und moralischen Leben: nicht
nur in und durch die verdichteten Verhältnisse des Staates, sonder auch auf dem
Terrain der Zivilgesellschaft… Dies beinhaltet auch erzieherische und bildende
Aufgaben, die zur Hebung der gesamten Gesellschaftsformation auf eine, „neue
Stufe der Zivilisation“ führen soll, die das erweiterte Regime des Kapitals
begünstigt.“[1]
Die Grenzen diesen hegemonialen Diskurs wurden
von dem „Weißen“ bestimmt. Daher ist es kein Wunder, dass eine Grüne aus dem
Thüringer Landtag und ein CSUler aus dem tiefen Bayern über den gleichen
Wortschatz verfügen.
Als
ich ganz neu in Deutschland war und dementsprechend die deutsche Sprache
beherrschte, dachte ich, dass „Einbahnstraße“ ein Straßenname ist, wie Heinrich
Heine Straße oder Gerhart-Hauptmann Straße. Es gab nämlich so viele
Einbahnstraßen in Deutschland.
In
der Türkei gibt es sicherlich Einbahnstraßen, sie sind aber ziemlich karg
beschildert und viele funktionieren nur in der Theorie als Einbahnstraßen. In
der Praxis haben viele Einbahnstraßen die
Funktion einer drei spurigen Landstraßen. Eine Einbahnstraße ist aber in Deutschland eine richtige
Einbahnstraße, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Ist es aber einzige
Metapher, die die hegemoniale Macht in Deutschland zur Beschreibung des
Integrationsbegriffes benutzen kann?
Nach
der Metapher "Integration ist keine Einbahnstraße" symbolisieren die Autos,
die Menschen mit Migrationsgeschichte. Haben wir aber vielleicht eine ganz
andere Erklärungsweise für Integration, die man mit einigen sozialen Tatsachen
unterfüttern kann, ohne den verkehrstechnischen Diskurs zu verlassen?
Ist
Integration vielleicht etwa ein Kreisverkehr? Das ist eine spezielle
straßenbauliche Art. Die wichtigste Regelung von einem Kreisverkehr ist: Wer im
Kreisverkehr fährt, der hat Vorfahrt. Also die von außen in den Kreisverkehr
hineinfahrende Autos müssen warten. Im
Kreis fahrende Autos besitzen reichlich von bestehenden Kapitalarten (ökonomisches,
kulturelles, soziales und symbolisches Kapital) nach Bourdieu. Dieser Metapher
ist auch von asymmetrischen Beziehungen konfrontiert. Außerhalb des Kreises herrschen soziale Ungleichheiten und
hineinfahrende Autos (Migranten) müssen erstmal warten, weil ihnen diese
Kapitalarten fehlen.
Wir
wissen heutzutage, dass Jugendliche mit Migrationsgeschichte in der Regel häufiger
eine Hauptschulempfehlung als die einheimischen Kinder bekommen. Im deutschen,
selektiven Bildungssystem geht es quasi um die Kinder, die wie Autos im Kreis sind und ständig Vorfahrt haben und um
die Kinder, die von außen kommen, jedoch in den Kreis hineinfahren wollen, aber
kein Vorfahrt haben und warten müssen. An dieser Stelle muss ich jedoch sagen,
dass Personen mit bestimmtem, sozioökonomischem Hintergrund sich im Kreis ebenfalls
positionieren dürfen. Dabei ist das entscheidende Merkmal nicht ausschließlich
die Nationalität, sondern die soziökonomische Lage der Personen. Solche
Beispiele lassen sich vermehrt
feststellen.
Hierbei
muss man vielleicht erwähnen, dass diese Milieus und Positionierungen kein
Befehl des Gottes sind. Sie sind gemacht/hergestellt. „Denn dass ein erheblicher Teil der Zugewanderten sich in einer
benachteiligten sozioökonomischen Position befindet und dass das schulische
Bildungssystem nicht zureichend ist, Chancengleichheit zu gewährleisten, ist
auch Folge einer Migrations-, Bildungs- und Gesellschaftspolitik, die mehrere
Jahrzehnte lang die Anerkennung der Tatsache Einwanderungsgesellschaft verweigert
hat und nicht an einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Eingewanderten
interessiert war.“[2]Diskriminierung
migrantischer Jugendlicher in der beruflichen Bildung.
Die Menschen mit Migrationsgeschichte müssen die
Sprache lernen, um auch zur Bildung und anderer gesellschaftlicher
Partizipationsmöglichkeiten gelangen können. „Wer sich anstrengt und durch Spracherwerb und den Einstieg in Arbeit
seinen Teil zur Integration beiträgt, der hat alle Chancen, den Neuanfang in
Deutschland zu schaffen.“(Neues Integrationsgesetzt). So besagt es das neue
Integrationsgesetz. Damit werden die Aufstiegschancen der Flüchtlinge, wie auch
öfters bei Menschen mit Migrationsgeschichte, an den persönlichen Bemühungen
der Personen abgekoppelt, und dies über die Sprache instrumentalisiert. Nach
der Meinung der Bundesregierung ist die Sprache allein entscheidender Faktor für
die Aufstiegschancen. Wenn dies jedoch so ist,, wie kann es sein, dass die
Armutswahrscheinlichkeit eines/r türkischen Abiturenten_In höher ist als die eines/r
deutschen Hauptschüler_In? War es nicht so, dass man mit Fleiß alles erreichen
kann?[3] (Detailliertes
siehe Bildungsbericht 2014)
Vielmehr
wird „Integration“ als ein Instrument eingesetzt. “Als Disziplinierungsinstrument wird Integration durch legale Drohungen
und Bestrafungen staatlich institutionalisiert, die von der Verweigerung des
Staatsbürgerschaft (§ 11 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetzt) über die Kürzung
der sozialen Grundsicherung (§ 44a Abs. 3 AufenthG) bis zu
aufenthaltsrechtlichen Benachteiligungen (§8 Abs. 3 AufenthG) wie etwa der
Ausweisung reichen. Auf diese Weise wird „Integrationsbedürftigkeit“ zu einer
juristischen Kategorie des Strafrechts, während die unfreiwilligen Integrationskurse
einer 630 stündigen Untersuchungs- und Besserungshaft gleichen“[4](Gegen
Welten S.113.Kien Nghi Ha). Das Problem ist, wie Susan Arndt (2015) formuliert
: „Integration redet davon, was von Flüchtlingen und Migrant_innen erwartet wird. Aber nicht davon,
was sie tatsächlich erwartet.
Mit
dem neuem Integrationsgesetz, darf der Staat sogar den Wohnort der Personen
bestimmen. Wohnortzuweisung nennt sich das. So formuliert die hegemoniale Macht
mit dem neuen Integrationsgesetzt weiter„ Die neuen Regeln beseitigen dazu
unnötige bürokratische Hürden und verbessern die Voraussetzungen dafür, dass
Zugezogene in unserem Land schnell
auf eigenen Beinen stehen können. Die Integration auf dem Arbeitsmarkt ist
einer der Kernpfeiler für gesellschaftliche Integration - das gilt für
Flüchtlinge ebenso wie für andere Menschen, die zu uns kommen und bei uns
leben.“Eine Differenzlinie durch die Verwendung des Begriffs „in unserem Land“
ist eine klare Botschaft der Differenzmarkierung.(Vielleicht wäre sinnvoll, das
neue Integrationsgesetzt rassismuskritisch zu analysieren.)
Der
Abschied von verkehrstechnischen Begriffen zur Erklärung eines
gesellschaftlichen Phänomens "Integration" sieht jedoch auch in der
Zukunft trüb aus. Ich finde es aber besser, dann bei diesem Jargon, den Begriff des Kreisverkehres zu benutzen, welcher den
Tatsachen mehr entspricht als eine Einbahnstraße.
An
dieser Stelle kann man das tolle Zitat von Simon Niou auf den vorherrschenden
Integrationsdiskurs in Deutschland übertragen. Er sagt: „Solange Weiße
definieren, wo Rassismus beginnt und was rassistisch ist, werden sie nie aus
ihren rassistischen Strukturen herauskommen.“
Solange
Weiße definieren, wo Integration beginnt, was integrativ ist, werden sie nie
aus Ihrer leitkulturellen Struktur von Integration herauskommen.
Abschließend
zitiere ich aus dem Pressebericht des neuen Integrationsgesetzes und überlasse es
dem/r Leser_In, was mit den Ketten gemeint ist. „Damit stärken wir den
Zusammenhalt in der Gesellschaft durch Integrationsketten,
die den Flüchtlingen Perspektiven für einen Neustart in Deutschland eröffnen.“
Literatur
Gramsci, A. (1967): Philisophie
der Praxis, übers von C. Riechers(R). Frankfurt/ in: Hall, Stuart(1994),
Rassismus und kulturelle Identität.Hamburg
Scherr, Albert (2015):
Diskriminierung migrantischer Jugendlicher in der beruflichen Bildung.Beltz
Juventa: Weinheim und Basel
Nghi Ha, Kein (2007):
„Unterordnen und Bestrafen- Die Kolonialisierenden Effekte des Deutschen
Integrationsregimes“ in Reithofer/Krese/Kühberger. „Gegen Welten, Rassismus,
Kapitalismus & soziale Ausgrenzung.
Ein gelungener Artikel! Danke dafür Tolga!
YanıtlaSil